Stille Reserven als Sicherheit
Beinahe jedes Unternehmen verfügt über stille Reserven, die auf unterschiedliche Weise generiert werden können. Im Falle eines Zahlungsverzugs können sie ein Rettungsanker sein, jedoch nur, wenn sie nicht immer still waren.
Was sind stille Reserven?
Stille Reserven oder Rücklagen sind ein Begriff aus der Bilanz. Laut Wirtschaftslexikon handelt es sich um Bestandteile des Eigenkapitals, die nicht ersichtlich sind und durch eine Unterbewertung der Aktiva, eine Überbewertung der Passiva oder eine Nichtaktivierung von Vermögensgegenständen entstehen. Durch die stillen Rücklagen kann der Gewinn bzw. das Eigenkapital niedriger erscheinen als es tatsächlich ist.
Der Vorteil von stillen Rücklagen ist, dass die Steuer dadurch verschoben werden kann und für den Moment die Liquidität verbessert wird. Das Rückstellen ist laut EStG legal und entspricht den österreichischen Rechnungslegungsvorschriften.
Wie können sich bei Immobilien stille Reserven bilden?
Häufig werden Anlagegüter mit einem niedrigeren als dem tatsächlichen Wert in der Bilanz gelistet. Dadurch entstehen stille Reserven. Wird die Anlage später mit einem höheren Wert veräußert, löst sich die stille Reserve auf und wird zum Gewinn.
Wie können stille Reserven in einem Unternehmen entstehen?
Es gibt verschiedene Arten von stillen Reserven, von denen manche automatisch, d.h. ohne Zutun des Unternehmers, entstehen können. Es handelt sich in diesem Fall um zwangsläufige stille Reserven, zu denen es z.B. durch Geldwertveränderungen kommt. Auch durch Schätzungsfehler kann eine stille Reserve entstehen, z.B. bei einer Überbewertung der Schulden. In vielen Fällen wird die Reserve aber willkürlich gebildet, indem die legalen Ermessensspielräume ausgenutzt werden.
Aus gesetzlicher Sicht sind stille Reserven als stille Zwangsrücklagen sogar vorgesehen: In Österreich gilt das Niederstwertprinzip, wonach Wertminderungen in der Bilanz zu berücksichtigen sind und die Anschaffungskosten die Obergrenze für die Bewertung des Anlagevermögens sein müssen, auch wenn sich der Wert vermehrt hat.
So können Eigentümer stille Reserven berechnen
Eine stille Reserve errechnet sich aus dem Nettoentgelt, d.h. dem Verkaufserlös ohne Umsatzsteuer minus Buchwert. Der Buchwert ist jener Wert, mit dem das Wirtschaftsgut in der Bilanz aktiviert wurde und ergibt sich aus den Anschaffungskosten minus Abschreibung.
So erfolgt die Übertragung stiller Reserven
Die Übertragung stiller Reserven ist z.B. nur zulässig, wenn das veräußerte Wirtschaftsgut mindestens 7 Jahre zum Anlagevermögen des Betriebs gehört hat (Ausnahme: keine Frist bei höherer Gewalt wie z.B. Versicherungssumme nach Brand). Weiters muss das neue Wirtschaftsgut in einer inländischen Betriebsstätte genutzt werden und für veräußerte Grundstücke und Gebäude gilt eine Frist von 15 Jahren, falls auf sie auch stille Reserven übertragen wurden. Zu den Übertragungsmöglichkeiten zählen:
- Übertragung von körperlichen Wirtschaftsgütern auf körperliche Wirtschaftsgüter
- Übertragung von unkörperlichen Wirtschaftsgütern auf unkörperliche Wirtaschaftsgüter
- Übertragung von Finanzanlagen auf unkörperliche Wirtschaftsgüter
- Übertragung von Grund und Boden (nur bei § 5 Abs. 1 EStG - Gewinnermittlern) auf körperliche Wirtschaftsgüter oder auf Grund und Boden
Die Übertragungslücke
Wenn sich nicht sofort ein passendes Wirtschaftsgut findet, um die aufgedeckten stillen Reserven zu übertragen, besteht die Möglichkeit, eine Übertragungsrücklage zu bilden, d.h. sie unversteuert als Bewertungsreserve aufgrund von Sonderabschreibungen geltend zu machen. Bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG und § 5 Abs. 1 EStG) ist diese Rücklage als gesonderter Posten auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen. Wenn der Gewinn durch eine Einnahmen/Ausgaben-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird, kann ein Betrag in dieser Höhe steuerfrei belassen werden (hier muss ein Verzeichnis darüber geführt werden).
Die Übertragungsfrist beachten
Normalerweise muss die Rücklage innerhalb von 12 Monaten übertragen werden, sonst wird sie aufgelöst und besteuert. Für Rücklagen, die aufgrund höherer Gewalt entstanden sind, erhöht sich die Frist auf 24 Monate. Im Zuge dessen darf auch nicht die Behaltefrist von sieben bzw. 15 Jahren vergessen werden.
Beispiel für ihre Übertragung
Eine GmbH besitzt ein Gebäude mit Grundanteil, das nach 9 Jahren veräußert wird. Durch den Verkauf wird eine stille Reserve von EUR 100.000,- aus dem Gebäudeteil aufgedeckt. Im selben Jahr kauft die GmbH um EUR 1 Mio. ein anderes Gebäude (Gebäudeanteil: 50 %).
Folgen: Da das Gebäude mehr als 7 Jahre im Betriebsvermögen war, kann die GmbH die stillen Reserven auf das neue Gebäude übertragen. Die GmbH muss keinen Veräußerungserlös versteuern, dafür betragen die fiktiven Anschaffungskosten für das neue Gebäude nur EUR 400.000,-. Dieser Wert ist auch die Abschreibungsbasis.
So wirkt sich die Steuerreform in Österreich auf stille Reserven aus
Wenn ein Unternehmer betriebliche Liegenschaften ins Privatvermögen übernimmt, muss er nicht nur für die Liegenschaft, sondern auch für die stillen Reserven bis zu 50 Prozent Steuern zahlen. Stille Reserven aus dem Gebäudewert sind mit 25 Prozent zu versteuern.
Seit der Steuerreform 2015 können bei einer Betriebsaufgabe alle stillen Reserven mit 25 Prozent versteuert werden, und zwar nicht schon bei der Aufgabe, sondern erst, wenn es tatsächlich zur Veräußerung kommt. Die Steuern müssen somit nicht mit Rücklagen finanziert werden, sondern es kann ein Teil des Kaufpreises dafür verwendet werden.
Stille Reserven bei Privatpersonen aufdecken
Wenn natürliche Personen Anlagevermögen veräußern, können stille Reserven aufgedeckt werden. Diese können abgesetzt werden, wenn im Wirtschaftsjahr des Verkaufs noch Teilbeträge für die Anschaffung bezahlt werden mussten.